I. Rechtliche Einordnung und Verbindlichkeit
Staatliche Vorschriften wie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), verbindliche Verordnungen über Arbeitsstätten (ArbStättV) und Betriebsmittel (BetrSichV) oder Unfallverhütungsvorschriften (UVV): Das alles gehört zum kleinen Einmaleins von Fachkräften für Arbeitssicherheit. Doch wie ist der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard rechtlich einzuordnen?
Klar soll schon der Name machen: Es handelt sich hierbei um kein im Bundesanzeiger veröffentlichtes verbindliches Gesetz, das Unternehmen eins zu eins umsetzen müssen. Zwar wurde der Standard gemeinsam mit dem DGUV-Geschäftsführer präsentiert, aber er ist auch keine UVV.
Der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard stellt klar, dass „notwendige Infektionsschutzmaßnahmen“ – und nicht der Standard selbst – von Unternehmen umgesetzt werden müssen. Auch wenn der Arbeitsschutzstandard kein Gesetz ist, muss der Arbeitgeber in Sachen COVID-19 seiner Fürsorgepflicht (§§ 618 Abs. 1 BGB, 3-5 ArbSchG) nachkommen. Der Standard ist entsprechend der Terminologie in Gerichtsurteilen zu Technischen Normen als Orientierungs- und Entscheidungshilfe einzustufen. Wählt ein Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er den gleichen Standard im Arbeits- und Infektionsschutz erzielen. Hätte der Gesetzgeber den Arbeitsschutzstandard allgemein angeordnet, würde er gegen den in § 22 ArbSchG verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Der besagt, dass das Arbeitsschutzgesetz ihm nicht nur die Feststellung der Gefährdungslage, sondern auch die Wahl der Mittel überlässt.
In II. des Standards heißt es: „Die Verantwortung für die Umsetzung notwendiger Infektionsschutzmaßnahmen trägt der Arbeitgeber entsprechend dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung“. Die besondere Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung wird in § 5 ArbSchG hervorgehoben. Sämtliche Maßnahmen im Bereich Arbeits- und Infektionsschutz müssen auf dieser Basis implementiert werden. Die Gefährdungsbeurteilung kann z.B. schnell und strukturiert mit einer HSE-Software erstellt werden.
Darüber hinaus müssen Arbeitgeber beachten, dass sie die Vorgaben im Infektionsschutzrecht inklusive landesrechtlicher Verordnungen einhalten. Dies verdeutlicht auch eine der Leitlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS): „Arbeitsschutz gilt – ergänzt um Infektionsschutz“. Laut § 4 Nr. 3 ArbSchG sollten Unternehmen zudem den „Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse“ berücksichtigen. Dies ist insbesondere bei einer neuen Pandemie wie SARS-CoV-2, die durch eine dynamische Entwicklung geprägt ist, eine besondere Herausforderung für Fachkräfte.