Compliance, Umwelt & Nachhaltigkeit

Green Claims und ihre Grenzen

Umweltfreundlich, klimaneutral, biologisch abbaubar – lange Zeit konnten Hersteller solche Begriffe frei verwenden. Aktuelle und kommende EU-Richtlinien werden dies ändern. Was Unternehmen jetzt über umweltbezogene Werbeaussagen wissen müssen. 

6 Minuten07.11.2025

„Green Claims“ sind Marketingaussagen, die auf die Umweltauswirkungen eines Produkts, einer Dienstleistung oder einer Firma verweisen. „Klimaneutral“, „bienenfreundlich“ oder „leicht zu recyceln“ sind einige Beispiele, die aktuell auf zahlreichen Produkten im Handel zu finden sind.

Viele dieser Aussagen sind jedoch nicht belegbar – oder schlichtweg falsch, erklärt Dr. Christoph Palme, Leiter der Rechtsabteilung von SAT. Laut einer Analyse der Europäischen Kommission sind sogar die Hälfte aller verwendeten Claims vage, irreführend oder haltlos. Eine Untersuchung von info.link, The Goodwins und PLAN, die auf Werbeanzeigen in den 50 reichweitenstärksten Printmedien fokussiert ist, fällt ein ähnliches Urteil. Auch viele weit verbreitete Umweltlabels haben oft unzureichende Nachweise für ihre Behauptungen.

Kritiker sprechen von „Greenwashing“, Verbraucherschützer von aktiver Täuschung. Die EU-Kommission hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, umweltbezogenes Marketing stärker zu regulieren.

Die zuletzt vorgeschlagene Green-Claims-Richtlinie wurde im Juni 2025 überraschend auf Eis gelegt. Unabhängig davon sind jedoch die Bestimmungen der EmpCo-Richtlinie („empowering consumers for the green transition through better protection against unfair practices and through better information“) bereits seit März 2024 in Kraft und bis 2026 in nationales Recht zu überführen. Dies bedeutet, dass ab September 2026 neue Regeln gelten werden, egal, wie es um die Diskussion zur Green-Claims-Richtlinie aussieht.

Dr. Palme: „Bisher konnte man fast alles behaupten – egal, ob es stimmte oder nicht. Künftig gilt: Jede Umweltaussage braucht einen belastbaren Nachweis.“ 

Warum die EU handelt

Der Hauptgrund für die neuen Regeln ist der Verbraucherschutz: Konsumenten und Konsumentinnen in der EU sollen vor Falschaussagen geschützt werden, die ihre Kaufentscheidung beeinflussen könnten und damit den Wettbewerb verzerren. Zudem sollen Verbraucherinnen und Verbraucher Umweltlabels künftig EU-weit vergleichen können – auf Basis klarer, nachvollziehbarer Informationen.

Ein weiterer Grund sind die mittel- und langfristig definierten Klimaziele der EU: Dr. Palme bemerkt, dass die bisherigen Standards nicht ausreichend Druck aufgebaut hätten, die Wirtschaft tatsächlich im Sinne des Green Deals nachhaltig zu transformieren.

Solange Unternehmen verallgemeinernde oder gar falsche Umweltaussagen ohne Konsequenzen treffen können, gibt es zu wenige wirtschaftliche Anreize, in diesem Bereich transparent und gewissenhaft zu agieren. Im Umkehrschluss können sich Wirtschaftsakteure mit tatsächlich nachhaltigen Absichten und Aktivitäten nicht ausreichend positiv differenzieren.

Zu guter Letzt können nachhaltigkeitsorientierte Verbrauchende ohne Klarheit über Green Claims keine fundierten Kaufentscheidungen treffen und damit kaum Wettbewerbsdruck auf Unternehmen ausüben.

Was sich konkret ändert

Umweltaussagen werden auch nach EmpCo-Richtlinie nicht verpflichtend – sie sind nach wie vor eine freiwillige Angabe, die Unternehmen über sich, ihre Aktivitäten oder Produkte treffen.

Nach Umsetzung der Direktive müssen Produktaussagen innerhalb der EU bestimmte Anforderungen erfüllen: 

Präzise sein 

Umweltaussagen müssen klar benennen, auf welche Kriterien sie sich beziehen und inwieweit das Produkt diese erfüllt. Es dürfen keine pauschalen Angaben mehr gemacht werden, sondern es muss deutlich werden, ob sich die Aussage auf das ganze Produkt, Teile des Produktes oder bestimmte Tätigkeitsbereiche des Unternehmens bezieht.

Belege liefern

Keine Umweltaussage ohne Nachweis – Unternehmen müssen getroffene Aussagen durch offizielle Zertifikate, belastbare Initiativen und stichhaltige Daten untermauern können. Derartige Informationen sind aktuell zu halten und extern zugänglich zu machen. Letzteres könnte z. B. auf einer Produktverpackung per QR-Code erfolgen, der Verbrauchende zu einer Website mit weiteren Erläuterungen führt. 

Kompensation nicht als klimaneutral auslegen 

Aussagen, die anteilige oder komplette CO2- bzw. Klimaneutralität suggerieren, de facto aber in der Kompensation von Treibhausgasemissionen begründet sind, werden verboten. 

Nicht-zertifizierte Nachhaltigkeitssiegel vermeiden

Das Anbringen von Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurden, wird verboten. Dies soll eine unüberschaubare Vielfalt an fragwürdigen Siegeln verhindern und für mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit sorgen. 

Die Regeln betreffen den Verbraucherschutz

Die dargestellten Verpflichtungen zielen auf den Verbraucherschutz, sie gelten also nicht für den Warenverkehr zwischen Unternehmen. B2B-Anbieter sollten jedoch bedenken, dass sie die neuen Bestimmungen zu beachten haben, falls ihre eigenen Aussagen in eine nachgelagerte Endkundenkommunikation eingebunden werden. 

Konsequenzen bei Nichteinhaltung

Mit der neuen Regelung werden zum ersten Mal Sanktionen für falsche oder irreführende Aussagen eingeführt. Diese variieren je nach Schwere des Vergehens und können empfindliche Bußgelder umfassen. Unternehmen sollten zudem nicht unterschätzen, dass die heutige Öffentlichkeit sensibel und schnell reagiert. Vertrauensverlust und Imageschäden werden auch den Geschäftserfolg schmälern. 

Was Unternehmen jetzt tun können

Auch wenn die EmpCo-Richtlinie noch in nationales Recht umzusetzen ist, sollten sich Unternehmen schon jetzt auf die neue Realität vorbereiten. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Green Claims wird zur Pflicht.

  • Anforderungen verstehen: Prüfen Sie die aktuellen Bestimmungen im Detail und behalten Sie kommende Rechtsänderungen im Blick. Machen Sie sich mit den neuen Handlungspflichten vertraut und leiten Sie den spezifischen Impact für Ihr Unternehmen ab. 
  • Aussagen hinterfragen: Begriffe wie „klimaneutral“, „nachhaltig“ oder „umweltfreundlich“ haben sich zwar im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert, aber sind sie in Hinblick auf Ihr Unternehmen, Ihre Produkte und Dienstleistungen tatsächlich korrekt? In welchem Maße sind sie es? 
  • Ist-Zustand nachbessern: Was können Sie an Unternehmens- und Produktionsprozessen verbessern, um in Zukunft tatsächliche und überprüfbare Nachhaltigkeit zu erreichen? Sofern Ihr Unternehmen bereits Green Claims verwendet: Welche Aussagen müssen Sie unterlassen, welche inhaltlich differenzieren? 
  • Nachweise strukturieren: In Vorbereitung auf kommende Nachweispflichten ist es sinnvoll, bereits jetzt alle verfügbaren Informationen zu Haltbarkeiten, Umweltleistung und Nachhaltigkeit zu dokumentieren und zu bündeln. Nur so können Sie valide Bewertungen und Belege schaffen.
  • Umwelt- und Nachhaltigkeitsdaten kontinuierlich erfassen: Spezifische Software-Lösungen für HSE und ESG sind darauf ausgelegt, einschlägige Kennwerte zentralisiert abzubilden und handhabbar zu machen. Automatisierte Tools und der Einsatz von KI erleichtern das Nachhaltigkeits-Reporting und die Auswertung komplexer Datenstrukturen.  
  • Ehrlich sein: Kommunizieren Sie offen, wo Sie stehen – und wo es noch Entwicklungsspielraum gibt. Glaubwürdigkeit gegenüber Konsumenten und Konsumentinnen entsteht nur anhand echter, verifizierbarer Produktangaben. Werbeaussagen sollten überzeugend gestaltet sein, was in diesem Fall auch heißt: auf überprüfbaren Tatsachen beruhen. 

Welche Chancen bieten sich?

Firmen, die heute schon an die Zukunft mit der EmpCo-Richtlinie denken, haben die Möglichkeit auf einen echten Wettbewerbsvorteil. Wer früh handelt, kann sich einen Vorsprung sichern: Unternehmen, die ihre Umweltleistungen bei Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung transparent belegen, können weiterhin rechtssicher mit Green Claims werben, ihre Glaubwürdigkeit im Markt erhöhen und bestehende Kundenbeziehungen stärken. 

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