Arbeitsschutz, Compliance

Das EU-Whistleblower-Gesetz

Worauf müssen Unternehmen jetzt achten und wie sieht ein rechtskonformes Hinweisgebersystem aus?

6 Minuten06.05.2021

Das Whistleblower-Gesetz ist im Dezember 2019 vom EU-Parlament als EU-Direktive 2019/1937 zum Schutz von Hinweisgebern (Richtlinie des EU-Parlaments) in Kraft getreten. Hinweisgeber, die Missstände in Unternehmen aufdecken und melden, sollen damit künftig besser vor Repressalien geschützt werden. Bis Ende 2021 sollten alle EU-Mitgliedsstaaten diese Richtlinie in eigene, nationale Gesetze überführen. In der Bundesrepublik Deutschland konnte die fristgerechte Umsetzung über das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) nicht realisiert werden. Unternehmen können sich aber bis zum Inkrafttreten auf die EU-Richtlinie berufen und stehen vor der Herausforderung, alle Vorgaben und Verpflichtungen einzuhalten. Dafür ist es wichtig, sich frühzeitig zu informieren und zu überlegen, mit welcher Strategie die Verordnung im eigenen Unternehmen umgesetzt werden kann. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen zum Whistleblower-Gesetz sowie hilfreiche Tipps zur Einführung und Umsetzung eines sogenannten Hinweisgebersystems.

Hintergrund zur Gesetzgebung

Whistleblower bringen den Mut auf, nicht rechtmäßige Vorgehen publik zu machen, wissend, dass dies für die eigene Position mit negativen Folgen verbunden sein kann. Sie sind für den Erhalt einer offenen Gesellschaft wichtig.

Bisher schützen nur wenige EU-Länder solche Hinweisgeber mit ausreichenden Maßnahmen. Es fehlt an klaren Schutzmechanismen. Mithilfe der Verordnung sollen nun Ebene des EU-Rechts entsprechende Mechanismen entwickelt werden. In Deutschland wird seit Langem über ein mögliches Schutzsystem diskutiert und angestrebt, über das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) die Lücke im nationalen Recht zu schließen. Neben den finanziellen Aufwänden muss auch geklärt werden, inwieweit der Whistleblower-Schutz greift. Während die CDU das Gesetz im letzten Jahr immer wieder blockiert hatte, spricht sich die neue Koalition aus SPD, Grünen und FDP klar für den Whistleblower-Schutz aus. Das Hinweisgeberschutzgesetz soll nun sogar über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinausgehen: Dem Koalitionsvertrag zufolge ist vorgesehen, Whistleblower nicht nur bei Meldungen über Verstöße gegen das EU-Recht zu schützen, sondern auch bei Meldungen von “erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt”.

Was ist das Ziel des Whistleblower-Gesetzes?

Die Whistleblower-Richtlinie zielt darauf ab, dass Verstöße aufgedeckt und unterbunden werden, die Rechtsdurchsetzung verstärkt wird und Hinweisgeber weder zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlich noch in Bezug auf ihre Beschäftigung haftbar gemacht werden können. Hinweisgeber sollen vor negativen Konsequenzen wie Kündigung, Versetzung oder Einschüchterung geschützt werden. 

Die Richtlinie umfasst dabei den Schutz in vielen Schlüsselbereichen des EU-Rechts, zum Beispiel 

  • Bekämpfung von Geldwäsche

  • Datenschutz 

  • Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union 

  • Lebensmittel- und Produktsicherheit 

  • öffentliche Gesundheit 

  • Umweltschutz 

  • nukleare Sicherheit

Ab wann gilt das Whistleblower-Gesetz in Deutschland?

Das Whistleblower Gesetz wurde nicht innerhalb der Frist bis zum 17.12.2021 in Form des Hinweisgeberschutzgesetzes in nationales Recht überführt. Deshalb gilt zunächst die Whistleblowing-Richtlinie der EU: Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden müssen seit dem 17.12.2021 ihren Mitarbeitenden ein Hinweisgebersystem zur Verfügung stellen, das es ihnen ermöglicht, Verstöße in einem geschützten Rahmen zu melden. Ab 2023 gilt die Regelung auch für Unternehmen mit einer Größe von 50 bis 250 Mitarbeitenden. Dabei ist zu beachten, dass die EU-Richtlinie nur dann angewendet werden kann, wenn sie klar und eindeutig ist und keine weitere Konkretisierung benötigt wird.

Anforderungen an das Hinweisgebersystem

Besteht für Mitarbeitende keine Möglichkeit, auf ein sicheres System zurückzugreifen, müssen die Behörden miteinbezogen werden – das können Unternehmen vermeiden, indem sie effektive und vertrauliche interne Meldekanäle einrichten. Das Hinweisgebersystem sollte ständig verfügbar sein, eine Option auf Anonymität bieten, in alle relevanten Sprachen übersetzt werden und verständliche Erklärungen und Hinweise für Mitarbeitende bieten. Das stellt eine wichtige Grundlage dar, um eine zuverlässige interne Kommunikationsstrategie aufzubauen.

Wen schützt die Whistleblower-Verordnung?

Das Whistleblower-Gesetz der EU schließt bestimmte Gruppen ein, die sich im Falle einer Meldung auf die Gesetzgebung berufen können und dadurch geschützt sind:

  • Arbeitnehmer (aktuelle, ehemalige und Bewerber)

  • Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes

  • Selbstständige und Vertragsunternehmer

  • Praktikanten

  • Anteilseigner

  • Mitglieder von Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorganen eines Unternehmens

  • Unterstützer und Verwandte von Whistleblowern

  • neue Arbeitgeber des Whistleblowers oder Personen, mit denen im beruflichen Kontext eine Verbindung besteht

Dadurch sind nicht nur festangestellte Mitarbeiter abgesichert, sondern auch Personen, die in sonstigen Verbindungen mit den Unternehmen stehen. Eine Ausnahme gilt bei Ärzten und Rechtsanwälten: Sie fallen nicht unter die Schutzmaßnahmen, wenn sie ihre berufliche Schweigepflicht durch eine Meldung verletzen würden. 

Wenn Whistleblower Straftaten begehen wie Hausfriedensbruch oder Cyberkriminalität (z. B. das Hacken von Computersystemen und ein unbefugter Zugriff auf Daten) können sie weiterhin dafür belangt werden. Dies gilt nicht bei Verstößen gegen sonstige Normen oder vertragliche Befugnisse. Betreten Mitarbeitende beispielsweise das Büro eines Vorgesetzten, um Kopien von Dokumenten anzulegen, was ihnen eigentlich vertraglich nicht erlaubt wäre, wird dieser Verstoß durch das Whistleblower Gesetz geschützt. Für Meldungen können von den Whistleblowern sowohl interne Meldesysteme als auch zuständige Behörden genutzt werden. In Fällen, in denen die Öffentlichkeit besonders betroffen ist, besteht der Schutz auch dann, wenn sie sich direkt an die Öffentlichkeit wenden.

  • Hinweisgeber sind für den Erhalt einer offenen Gesellschaft wichtig. Ihr Mut soll durch das EU-Whistleblowergesetz und in Zukunft auch durch das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz geschützt werden. | © iStock Geber86

Was ist bei der Umsetzung zu beachten?

Wollen Unternehmen das Hinweisgeberschutz-Gesetz integrieren, gibt es verschiedene Bereiche, die bei der Umsetzung einbezogen werden müssen. Hier finden Sie die wichtigsten Punkte im Überblick:

Geltungsbereich

  • die Whistleblower-Richtlinie betrifft Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden oder mit mehr als 10 Millionen Euro Jahresumsatz, öffentliche Einrichtungen und Behörden sowie Gemeinden ab 10.000 Einwohnern

Meldekanäle

  • diese Unternehmen haben die Pflicht, ein Hinweisgebersystem aufzubauen (Meldungen können schriftlich über Online-System, postalisch und/oder mündlich per Telefonhotline oder Anrufbeantwortersystem erfolgen)

  • persönliche Treffen sollten auf Wunsch ermöglicht werden

  • dabei muss zu jeder Zeit die Vertraulichkeit des Hinweisgebers geschützt werden

  • Ausnahme: Unternehmen mit 50-250 Mitarbeitenden können “gemeinsame Ressourcen” nutzen, also einen gemeinsamen Hinweisgeberkanal

Informationspflicht

  • Mitarbeiter, Zulieferer, Dienstleister und Geschäftspartner müssen über den unternehmensinternen Meldeprozess sowie über alternative Meldewege (an zuständige Behörden) informiert werden

  • Informationen müssen leicht verständlich und zugänglich sein

Umgang mit den Meldungen / Datenschutz

  • alle personenbezogenen Daten von Whistleblowern und Beschuldigten müssen DSGVO-konform behandelt werden

  • im Unternehmen soll eine “am besten geeignete” Person für Erhalt und Nachverfolgen bestimmt werden, etwa Compliance Officer, Personalleiter, Unternehmensjurist, Finanzdirektor, Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied, alternativ kann die Position ausgelagert werden

  • Datenaufbewahrung muss sicher sein, damit sie ggf. als Beweismittel fungieren kann

Fristen

  • innerhalb von 7 Tagen ist dem Hinweisgeber zu bestätigen, dass seine Meldung eingegangen ist

  • innerhalb von 3 Monaten muss der Hinweisgeber über ergriffene Maßnahmen, Stand der internen Ermittlung und deren Ergebnis informiert werden

Fazit

Die Einführung des EU-Whistleblower-Gesetzes ins deutsche Recht verzögert sich und konnte nicht zum Stichtag am 17.12.2021 umgesetzt werden. Solange gilt die EU-Whistleblower-Richtlinie, was bedeutet: Unternehmen mit 250 Mitarbeitenden müssen ein Hinweisgebersystem implementiert haben. Wer sich noch nicht über die entsprechenden Verpflichtungen informiert und diesen nachgekommen ist, sollte zügig nachbessern. Ab 2023 gilt die Regelung dann auch für Unternehmen mit einer Größe von 50 bis 250 Mitarbeitenden Für Unternehmen dieser Größenordnung ist es ratsam, sich bereits im Vorfeld über die verschiedenen Möglichkeiten eines internen Hinweisgebersystems zu informieren und dies im eigenen Betrieb zu implementieren. 

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